CN: Genozid, Apartheid, Tod
Im Folgenden geht es um die Caption unter unseren Instagram- und RA-Posts für die Veranstaltung “Splinter Cell: Fundraiser for Palestine” am 26. Oktober 2024.
Wir haben kritische Reaktionen und Outcalls aus der Community über die Beschreibung unseres Instagram-Posts für die Veranstaltung “Splinter Cell: Fundraiser für Palästina” am 26.10.2024 im Kopfsalat, Leipzig, erhalten. Nach einiger Reflektion haben wir erkannt, dass der Text nicht unserer ehrlichen Meinung entspricht, sondern vielmehr ein schädliches und normalisierendes Narrativ wiederholt und damit im Widerspruch zu unserer Behauptung steht, mit der Palästinensischen Zivilbevölkerung in Solidarität zu stehen.
Wir wollen hiermit deutlich machen, dass wir die Fehler einsehen, das Leid der Palästinenser*innen relativiert zu haben und eine klare Positionierung sowie eindeutige Solidaritätsbekundung versäumt zu haben. Im Folgenden möchten wir darlegen, wie es zu diesen Fehlern kam, uns bei den Betroffenen entschuldigen und aufzeigen, welche Konsequenzen wir daraus ziehen.
Wir tolerieren keinen Sexismus, Rassismus, Antisemitismus, antimuslimischen Rassismus, Queerfeindlichkeit und weitere Diskriminierungen jeder Art. Mehr dazu in unserem Selbstverständnis.
Wieso haben wir entschieden, diesen Fundraiser zu organisieren?
Wir nehmen ein großes Unrecht an der palästinensischen Zivilbevölkerung wahr. Daher haben wir uns entschieden, mit unseren Fähigkeiten sowie den uns zur Verfügung stehenden Mitteln Spenden zu sammeln. Zusätzlich war es uns als Kollektiv wichtig, eine klare Position zu beziehen und nicht zu schweigen. Wir wollten unsere Solidarität mit den Palästinenser*innen sowie mit Aktivist*innen und Kulturschaffenden zum Ausdruck bringen, die von staatlicher Repression und Polizeigewalt betroffen sind.
Wir verurteilen die vielfach dokumentierten genozidalen Kriegsverbrechen und Menschenrechtsverletzungen, die der Staat Israel gegen das palästinensische Volk begeht. Ebenso verurteilen wir die illegale israelische Siedlungspolitik und Besetzung palästinensischer Gebiete sowie das institutionalisierte israelische Unterdrückungssystem im gesamten Gebiet, das von Menschenrechtsorganisationen als Apartheid dokumentiert wurde (siehe Amnesty International Report, 2022; B’Tselem Report, 2022). Wir protestieren gegen die systematische Unterdrückung von pro-palästinensischem und Israel-kritischem Aktivismus und die Einschränkung der Meinungs- und Versammlungsfreiheit, die bedingungslose Unterstützung und Waffenlieferungen von Deutschland an den Staat Israel sowie die Politik beider Regierungen in diesem „Konflikt“, der seit über 70 Jahren Hunderttausenden das Leben kostet (siehe The Lancet Report, 2024; Geneva Declaration Secretariat: Global Burden of Armed Violence, 2008)
Was haben wir falsch gemacht?
Statt eine klare Haltung einzunehmen, die unserer Meinung entspricht, haben wir in dem ignoranten und arroganten Versuch, Angriffsfläche zu minimieren, eine doppelte Botschaft gesendet und dadurch unbewusst ein weit verbreitetes, schädliches Narrativ gefördert. Dieses Narrativ, das insbesondere in Deutschland weit verbreitet ist, vertritt eine angeblich neutrale Haltung, die das Leid der Palästinenser*innen normalisiert und unterschwellig die Wahrnehmung fördert, dass jede parteiische Solidarität mit Palästina als antisemitisch abgestempelt werden könnte.
Im ersten Satz der Caption schreiben wir: „We stand in solidarity with the Palestinian civilian population suffering from the ongoing disproportionate violence and hardship in Gaza, as well as the Israeli civilian population affected by violence and anti-semitism, especially with regard to the events of October 7, 2023.” Mit dieser Formulierung wiederholen wir das falsche propagandistische Narrativ, dass die Ereignisse vom 7. Oktober das extreme Ausmaß des palästinensischen Leids rechtfertigen könnten, statt die genozidalen Kriegsverbrechen und Menschenrechtsverletzungen der israelischen Regierung an den Palästinenser*innen als eigenständiges Unrecht anzuerkennen.
Deutschland ist direkt mitschuldig am Völkermord an den Palästinenser*innen. Wir sind durch unsere Steuergelder an diesem Unrecht beteiligt und haben dennoch das Privileg, weitgehend nicht direkt betroffen zu sein (wobei ein Mitglied des Kollektivs die Auswirkungen des zunehmenden antimuslimischen Rassismus in Deutschland persönlich erlebt). Dieses Privileg haben wir nicht ausreichend reflektiert, wodurch wir dem Thema weder die Priorität noch den Raum gewidmet haben, die es erfordert.
Wir haben es versäumt, klare Solidarität zu zeigen und damit das zentrale Prinzip der Solidarität verfehlt. Solidarität bedeutet, aktiv und unmissverständlich an der Seite derer zu stehen, die Ungerechtigkeit oder Unterdrückung erfahren. Durch mangelnde klare Positionierung wurde dieses Grundkonzept untergraben und unsere Verantwortung, eine eindeutige und bedingungslose Partei zu ergreifen, nicht erfüllt.
Insgesamt haben wir nach einhergehender Reflexion den Eindruck, mit der Caption mehr Schaden angerichtet zu haben, als die Spendenaktion allein hätte helfen können.
Unsere Entschuldigung
Wir entschuldigen uns bei den Betroffenen, deren Leid wir relativiert, normalisiert und trivialisiert haben, und die wir durch unsere unklare und schädliche Solidaritätsbekundung getriggert haben. Wir bedauern zutiefst, dass wir diese Fehler nur durch externe Kritik erkannt haben und möchten betonen, dass die Caption nicht unserem Standpunkt entspricht. Es ist unsere alleinige Verantwortung, sicherzustellen, dass solche Fehler nicht wieder geschehen.
Welche Konsequenzen ziehen wir daraus?
Wir erkennen, dass wir nicht ausreichend informiert waren; deshalb wollen wir uns intensiv weiterbilden. In Zukunft werden wir klar Stellung beziehen, um sicherzustellen, dass wir keine Räume mit unklaren oder halbherzigen Aussagen einnehmen, die Betroffene oder Aktivist*innen für ihre Stimme benötigen. Zudem erkennen wir unser Privileg der Unbetroffenheit an, während wir gleichzeitig unsere Beteiligung an den Geschehnissen anerkennen.
Wir sind für alle Kritik, die uns zu diesem Thema entgegengebracht wurde, dankbar; diese Reflexion stärkt unser Wachstum und unterstützt unseren stetigen Lernprozess, um ein besseres Kollektiv zu werden. Solidarität mit dem Volk Palästinas!
Leipzig, den 07.11.2024